Dark X-Mas Festival 2014 – großartige Band-Performances in intimem Rahmen

darkxmas26122014_362An den Weihnachtstagen haben Anhänger der schwarzen Szene meist wenig bis keine Alternative, dem schmalzigen 08/15-Weihnachtsflair für ein paar Stunden zu entkommen. Bis 2012 gab der Christmas Ball in Hannover Gothic-Fans mit namhaften Bands gute Gründe, am zweiten Weihnachtsfeiertag ins Capitol zu pilgern, welches mit über 1500 Besuchern auch stets mehr als gut besucht war. Nachdem der Christmas Ball 2013 und 2014 trotz des großen Zuspruchs nicht mehr stattfand, sprang 2014 Veranstalter und Szene-DJ Surfin William von Dark Star Promotions in die Bresche und organisierte zum 26. Dezember mit dem Dark Xmas Festival im Musikzentrum Hannover ein vergleichbares Event mit sieben Bands, zu denen große Namen ebenso zählten wie lokale Newcomer. Leider war das Dark Xmas-Festival von den Besucherzahlen des Christmas Balls weit entfernt. Keine 200 Besucher fanden ihren Weg am kalten Freitagabend ins Musikzentrum, was sehr schade war, denn nicht nur, dass die Daheimgebliebenen definitiv etwas verpasst haben, die dürftige Resonanz regt Veranstalter bestimmt nicht dazu an, künftig wieder so ein Festival auf die Beine zu stellen. Woran es lag, darüber lässt sich spekulieren, was am Ende dieses Artikels auch getan wird, aber zunächst einmal ein kleiner Nachbericht über die einzelnen Auftritte der Bands.

Den Anfang machte mit Desastroes ein lokales Electro-Projekt aus Nienburg. 2010 gegründet, hat sich das Projekt von Sänger und Komponist Jan C. Hoffmann mit eingängigen Synth-Melodien, guten Texten und Hoffmanns Stimme vor allem live schnell ihre Fans erspielt. Das aktuelle Album „In Ewigkeit“ wurde 2013 via Crowdfunding finanziert und auch das nächste Album „Metamorphose“ soll via Crowdfunding das Licht der Welt erblicken. Ein erster Anlauf 2014 war zwar gescheitert, doch wird Hoffmann 2015 einen zweiten Versuch wagen. Hinsichtlich der musikalischen Qualität, die Desastroes beim Dark X-Mas Festival demonstrierte, hat das Projekt definitiv Unterstützung und einen größeren Bekanntheitsgrad verdient, denn die Songs, darunter „Mein Monster“, „Eiskalte Liebe“ und „Verdammt sein“, gingen nicht nur sofort ins Ohr, sondern stimulierten auch Herz und Hirn, was so manches populäre Electro-Projekt nicht vermag. Leider war der Auftritt von Desastroes festivalbedingt zu schnell vorüber, da die nächste Band bereits „in den Startlöchern stand“. Neugierig gewordene Electro-Freunde können sich aber auf YouTube ein eigenes Bild von Desastroes machen.

Bilder-Galerie Desastroes:

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Die zweite Band war ebenfalls ein lokales Projekt und wusste ebenfalls zu überzeugen. In Good Faith aus Salzgitter gründeten sich zwar schon 1998, jedoch legten sie aufgrund personeller Wechsel erst in den letzten Jahren richtig los und erspielten sich als Support bekannter Electro-Bands wie And One oder Massiv in Mensch sowie auf dem Nordstern Festival in Hamburg neue Fans. Ihr 2013 veröffentlichtes Debutalbum „Past_Tense_Presence“ ist in CD-Form bereits ausverkauft und momentan nur als Download erhältlich und auch ihre aktuelle EP „It´s tearing me apart“ findet zahlreiche Abnehmer. Der Auftritt auf dem Dark X-Mas-Festival gehörte ebenfalls zu den positiven Überraschungen für alle, die die Band zuvor nicht kannten. Ganz klar von der markanten Stimme von Sänger Kai Németh geprägt, waren die Songs eingängig, emotional und tanzbar, wobei die Musik von Gitarrist Lars und Keyboarder Marc allerdings natürlich auch ihren Teil zum stimmigen Ganzen beitrug. In Good Faith waren somit als zweite Band bereits das zweite unerwartete Highlight des Festivals und fünf Bands erwarteten die Besucher noch. Auch von In Good Faith können sich Neugierige auf YouTube ein Bild machen und dann am 17. Januar 2015 zu ihrem Konzert im Wasserturm Hannover (Vahrenwalder Str.) pilgern.

Bilder-Galerie In Good Faith:

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Die dritte Band des Abends gehört inzwischen schon zu den bekannteren Bands der schwarzen Szene. Gegründet 2006 in Hamburg, stehen Oberer Totpunkt bei Bruno Kramms Label Danse Macabre unter Vertrag und haben mit dem 2014 erschienenen „Desiderat“ bereits ihr viertes Album herausgebracht. Man kommt allerdings nicht daran vorbei, darauf hinzuweisen, dass der Musikstil der Band um Sängerin Bettina deutlich anders ist als der eingängige Synthpop der ersten beiden Bands des Abends. Unter der Kategorie Neue Deutsche Todeskunst liefert Oberer Totpunkt eine Mischung aus Electro, Industrial und Avantgarde mit Spoken Words, die für manche sperrig wirken kann, aber die Energie und Spielfreude, die jedes einzelne Bandmitglied live ausstrahlte, ließen den Funken schnell überspringen. Selbst ein Hip-Hop-Stück hat die Band im Programm. Oberer Totpunkt sind eine klare Empfehlung für alle, die anspruchsvollere musikalische Kost bevorzugen und auch Experimentellem gegenüber nicht abgeneigt sind. Natürlich finden sich Kostproben der Band ebenfalls auf YouTube.

Bilder-Galerie Oberer Totpunkt:

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Wer sich fragte, warum das Festival „ab 18 Jahren“ freigegeben war, bekam spätestens mit dem Auftritt der Grausamen Töchter die beeindruckende Antwort. Innerhalb kürzester Zeit hat sich die 2009 gegründete Band um die Hamburger Sängerin und Mastermind Aranea Peel einen so hohen Bekanntheitsgrad erspielt, der ihr nicht nur TV-Auftritte, sondern auch viele Fans einbrachte und das aktuelle Album „Glaube, Liebe, Hoffnung“ zu einem großen Erfolg machte. Die Live-Performance der ausgebildeten Schauspielerin und ihrer Band haben es in sich. Lack, Leder, viel nackte Haut auf Seiten der Tänzerinnen und Musikerinnen und eine charismatische Frontfrau, die unverblümte Texte authentisch herausrotzte, aber auch zeigte, dass sie auch anders kann. Dass alles gehüllt ins musikalische Gewand von Industrial, Punkrock und selbst Goa lässt sich finden. Sicherlich eine Band, die provoziert und polarisiert, aber genau das gefällt den Grausamen Töchtern und hinsichtlich der Intensität hat sich schon allein hierfür der Festival-Besuch gelohnt.

Bilder-Galerie Grausame Töchter:

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Nach dem „Schock-Programm“ wurde es einige Nummern ruhiger mit Die Schatten des Dorian Gray. Die Hausband von Veranstalter Surfin William gehört zu der Sorte leidenschaftlicher Underground-Musiker, die den Begriff Independent noch wörtlich nehmen und gar nicht den Anspruch haben, populär zu werden, selbst wenn sie dies hinsichtlich des musikalischen Talents und der schönen Stimme von Sängerin Coalla Voice ohne weiteres könnten. Mit Gitarre, Bass und Drum-Machine lieferten Die Schatten des Dorian Gray Old School Gothic ab, der an die Ikonen wie die Sisters of Mercy und Konsorten erinnerte, wirkten dabei aber völlig eigenständig und sehr atmosphärisch, was auch dem Timbre von Coalla zu verdanken war. Für alle Old School Fans sehr gut anzuhören, aber auch gerade jüngere Semester konnten hier sehen und hören, wie eine Band gelungen gutes und stimmungsvolles Underground-Flair kreiert. Kurzum bekam man mit der fünften Band des Abends auch gleich das fünfte Highlight geboten.

Bilder-Galerie Die Schatten des Dorian Gray:

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Die vorletzte Band des Abends braucht eigentlich niemandem mehr vorgestellt zu werden, zählen sie doch zu den Legenden des EBM/Industrial. Seit 1989 sind die Armageddon Dildos nun schon aktiv. Elf Alben haben sie in der Zeit produziert sowie unzählige Remixe für andere Künstler. Live sind die Armageddon Dildos aber immer etwas Besonderes, denn Sänger Uwe ist so quirlig und energiegeladen, dass es ihn nicht lange auf der Bühne hält und er sich ins Publikum begibt. Zwischen den treibenden Songs unterhielt er sich auch immer wieder mit den Besuchern, die ihm zu ruhig waren. Trotz seiner Energie ließen sich die Gäste aber nicht zum Mittanzen bewegen, was auch der späten Stunde geschuldet war, es war schließlich bereits nach ein Uhr morgens, als die Armageddon Dildos die Bühne enterten. Dank seiner Energie und Gesprächigkeit waren die Armageddon Dildos das sechste Highlight des Abends.

Bilder-Galerie Armageddon Dildos:

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Der Headliner des Dark X-Mas Festivals 2014 enterte erst nach zwei Uhr morgens die Bühne, doch Clan of Xymox hatten keine Mühe, das Publikum mit einem Potpourri ihrer Hits aus über 30 Jahren Schaffensphase wach und bei Laune zu halten. Die Band um Sänger Ronny Moorings spielte sogar neues Material, welches von den Fans sehr gut angenommen wurde. Am Ende gab es sogar noch eine Zugabe, bevor der Clan of Xymox sich endgültig von den Festivalbesuchern verabschiedeten und morgens um vier die Aftershow-Party begann. Damit endete das Dark X-Mas Festival 2014 und rein vom Band-Line-Up und den Performances war es ein voller Erfolg, ein Festival, welches mehr Besucher verdient gehabt hätte.

Bilder-Galerie Clan of Xymox:

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Woran lag die dürftige Besucherzahl begründet? Am Preis kann es nicht gelegen haben. 30,- € an der Abendkasse für ein Festival mit 7 Bands, darunter lokale Highlights, Szene-Legenden und mit den Grausamen Töchtern sogar ein aktuell ganz heißer Live-Act, der Eintrittspreis ist mehr als nur fair, geradezu ein Schnäppchen. Ist die schwarze Szene der Region Hannover so klein geworden, dass nicht einmal 300-400 Leute zu der einzigen Alternativveranstaltung an den Weihnachtstagen kommen, obwohl genau diese Leute sich immer darüber beschweren, dass es an den Weihnachtsfeiertagen kein Alternativprogramm für sie gibt? Daran kann es eigentlich auch nicht liegen, wie die hohen Besucherzahlen der Christmas Balls gezeigt haben. Bandzusammenstellung und Preis/Leistungsverhältnis waren auch über jeden Zweifel erhaben. Lag es an mangelnder Bewerbung des Events im Vorfeld? Daran, dass mit dem Engel 07 im August 2014 unerwartet einer der letzten verbliebenen Szene-Clubs dicht machte? Man weiß es nicht, sondern kann nur hoffen, dass die Veranstalter kein allzu großes Minus gemacht haben und 2015 dennoch einen neuen Anlauf wagen, denn die schwarze Szene Hannovers braucht solche Alternativ-Events.

Text & Fotos: Steve Palaser

Weiterführende Links:

Dark Star Promotions

Musikzentrum Hannover

Desastroes

In Good Faith

Oberer Totpunkt

Grausame Töchter

Clan of Xymox

Bandpräsenzen auf Youtube bzw. Facebook:

Desastroes auf YouTube

In Good Faith auf YouTube

Oberer Totpunkt auf YouTube

Die Schatten des Dorian Gray auf Facebook

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Über Steve

Steve Palaser ist Freier Journalist & Übersetzer DE - EN, EN - DE Mehr Info unter dem Button "Unser Team" oder bei Google - da er zumindest deutschlandweit der Einzige mit diesem Namen ist! Ein echtes Unikat!

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