Von Vespas, Vertretungen und Voice-Problemen

Trotz Pleiten, Pech & Pannen gelang es Welle: Erdball, ihren Fans eine gelungene Sendung zu bieten

Irgendwie scheint die „Vespa 50N Special“-Tour 2017, auf der Welle: Erdball anlässlich der neuen EP „Gaudeamus Igitur“ gerade in den deutschen Clubs unterwegs sind, unter keinem guten Stern zu stehen, wenn man das Konzert am 1. Mai im MusikZentrum Hannover als Indiz nimmt. Nicht nur, dass mit A.L.F. und Frl. Venus zwei Bandmitglieder ausfielen, Sänger Honey hatte auch noch eine extrem angeschlagene Stimme und die Beine von Lady Lila hätten fast unliebsame Bekanntschaft mit einer umfallenden Vespa gemacht. Obendrein zickte ab und an auch die Technik rum. Trotz all dieser Widrigkeiten war es jedoch ein insgesamt schönes Konzert. Aber der Reihe nach.

Bevor Honey & Co die Bühne enterten, war es erst einmal The Sexorcist vorbehalten, das Publikum einzustimmen. The Sexorcist ist ein Seitenprojekt des Berliner Agonoize-Sängers Christian Lorenz, mit dem er seinen Hörern EBM kredenzt, den die Band selbst als „Erotic Body Music“ beschreibt. Das hannoversche Publikum fand es zwar ganz nett, irgendwie wurde man aber das Gefühl nicht los, dass ein Teil des Beifalls nach den Songs nur darauf zurückzuführen war, dass Lorenz sich mit Agonoize bereits eine breite Fanbasis geschaffen hat, die ihn auch in seinen Seitenprojekten unterstützt. Überschwängliche Begeisterung löste The Sexorcist unter dem hannoverschen Publikum leider nicht aus. Nicht falsch verstehen: The Sexorcist wurden in Hannover nicht etwa negativ aufgenommen, sondern von einem guten Teil der Zuschauer eher so in diese Richtung bewertet: „Ja, ganz nett, kann man hören! Nervt nicht, begeistert aber auch nicht.“ Und mit dieser Gleichgültigkeitseinstellung der Hannoveraner kam The Sexorcist über den viel zitierten Höflichkeitsapplaus nur selten hinaus.

The Sexorcist-Galerie:

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Nach einer kurzen Umbauphase wurden die Vespas auf die Bühne gefahren und es war Zeit für Welle: Erdball. Nach dem Intro „Gaudeamus Igitur“ und dem ersten Song „Vespa 50N Spezial“ ging es auch schon los mit den Pannen. Lady Lila verlor den Griff über die Vespa und selbige kippte um, glücklicherweise nicht in ihre Richtung, denn so eine Vespa auf die nackten Beine geklatscht zu bekommen, hätte übel ausgehen können. So fiel das motorisierte Zweirad zum Glück „nur“ gegen den Beamer, der dann natürlich auch umfiel, aber zumindest heil blieb. Diesem „Fehlstart“ ins Konzert folgten die nächsten Hiobsbotschaften, die Honey verkündete, als er das Publikum begrüßte, welches natürlich schon längst registriert hatte, dass der Mann am Keyboard nicht A.L.F. war und die Gesangskollegin von Lady Lila keine Ähnlichkeit mit Frl. Venus hatte. Während das Fehlen von Frl. Venus wenigstens einen positiven Grund hatte, nämlich den, dass sie frisch gebackene Mutter ist und sich entsprechend um ihr Baby kümmern und nicht Wochen auf Tour verbringen will, ist der Grund für A.L.F.‘s Abwesenheit eher trauriger Natur. Wie Honey mitteilte, liegt A.L.F.s Vater im Krankenhaus und er möchte verständlicherweise an dessen Seite bleiben.

Die Ersatz-Bandmitglieder waren aber zum Glück keine Unbekannten. A.L.F. wurde von Andi am Keyboard vertreten, der schon seit Ewigkeiten festes Bestandteil der Crew ist, sonst aber eher im Hintergrund aktiv ist. Frl. Venus wurde von Massiv in Mensch Sängerin Sara Peel vertreten. Die beiden erfüllten ihre Aufgabe auch sehr gut, jedoch konnten auch sie nichts an der stark angeschlagenen Stimme von Honey ändern, die zeitweise eher nach unverständlichem Krächzen klang anstatt nach Honeys markantem Organ. Zum Glück verteilt sich die Gesangslast bei Welle: Erdball ja auf mehreren Schultern, so dass Honey während des Konzertes auch immer wieder Gesangspausen hatte. Nichtsdestotrotz klang seine Stimme mit fortschreitender Konzertdauer immer schlimmer. Er selbst nahm es mit Galgenhumor, aber auch die Fans hatten eher Mitleid mit ihm als alles andere.

Welle: Erdball-Galerie:

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Das Konzert selbst war wieder so aufgebaut, dass im ersten Teil die Stücke von der neuen EP „Gaudeamus Igitur“ gespielt wurden, darunter „20.000 Meilen unter dem Meer“, „Die letzte Chance zu Leben“, „Nur mit mir Allein“, „L’Inconnu de la Seine“, „Polyarmorie“ und natürlich auch der Song, den Honey im vergangenen Jahr gemeinsam mit den Fans auf dem Amphi-Festival am C-64 kreiert hat, „Stirb mir nicht weg“! Bei einem Großteil dieser teils sehr gelungenen, ironischen Stücke dominierte der Frauengesang, erst als es an die Klassiker wie „23“, „Schweben, Fliegen, Fallen“, „Hoch die Fahnen“, „Feuerwerk“, „Arbeit Adelt“ etc. ging, wurde Honeys Stimme, oder was davon übrig war, beansprucht. Nichtsdestotrotz hörte die Band zwecks Stimmschonung des Honeys nicht etwa früher auf, sondern spielten inklusive Zugaben ein fast dreistündiges Konzert, was einerseits zwar Respekt verdient hat, andererseits jedoch die Sorge aufkommen lässt, dass Honey seiner Stimme schadet. Man konnte nur hoffen, dass Honey seine Stimme in den vier Tagen zwischen dem Hannover-Konzert und dem nächsten Tourstopp in Magdeburg schont und wieder hinbekommt und dass beim nächsten Auftritt im MusikZentrum wieder alles gewohnt klappt.

Text & Fotos: Steve Palaser

Weiterführende Links:

Welle: Erdball

MusikZentrum Hannover

The Sexorcist


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Über Steve

Steve Palaser ist Freier Journalist & Übersetzer DE - EN, EN - DE Mehr Info unter dem Button "Unser Team" oder bei Google - da er zumindest deutschlandweit der Einzige mit diesem Namen ist! Ein echtes Unikat!

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