Autumn Moon 2017 – Der Freitag: Ein gemütliches Witt-einander

Dritte Ausgabe des „Independent-Festivals der Herzen“ punktete wieder mit toller Atmosphäre, vielseitigem Line-Up und denkwürdigen Konzerten

Am Wochenende des 13. – 15. Oktobers 2017 öffnete das Autumn Moon Festival in Hameln zum dritten Mal seine Pforten. Bereits nach der ersten Ausgabe 2015 hat die positive Mundpropaganda des damaligen Publikums dafür gesorgt, dass sich zur zweiten Ausgabe 2016 mehr Freunde der dunklen Musik von Mittelalter bis Industrial Tickets fürs Autumn Moon holten. Doch auch wenn 2016 & 2017 die einzelnen Locations recht gut gefüllt waren und auch der Mittelaltermarkt vor der Rattenfängerhalle nicht über mangelnde Besucher klagen konnte, ist immer noch Luft nach oben. Damit sich das Autumn Moon endgültig zur festen Größe im Festivalbereich etabliert, muss der Zuspruch weiter steigen. Wenn jeder, der dieses Jahr dabei war und dem es gefallen hat, nächstes Mal noch einen Freund oder eine Freundin (oder auch mehrere) mitbringt, damit diese die entspannte Atmosphäre an der Weser selbst erleben können, wäre schon viel gewonnen.

Wenn es am Finanziellen scheitert, lieber mal das inzwischen völlig durchkommerzialisierte und unpersönliche M’era Luna sausen lassen und das gesparte Geld in ein Ticket fürs Autumn Moon investieren. Hier wird der Independent Spirit wenigstens noch gelebt und neben namhaften Größen wie Witt, Heppner und Front 242 auch und gerade den unbekannteren Bands und Künstlern eine Bühne geboten, sich zu präsentieren. Das war es, was seinerzeit die Independent Festivals der schwarzen Szene ausgemacht hat, dass man immer wieder mal neue Bands kennengelernt hat und diese dadurch bekannter geworden sind. Während das M’era Luna an seinem eigenen Erfolg erstickt und heutzutage nur noch den Alibi-Battle of the Bands-Contest-Gewinner vormittags spielen lässt, was ohnehin kaum jemand mitbekommt, und das restliche Line Up eine Ansammlung von Szenegrößen sind, die oft im Zweijahres-Rhythmus durchrotiert werden, geben sich hier beim Autumn Moon neue Projekte, Geheimtipps, Exoten und Szenegrößen die Klinke in die Hand. Und das Ganze eingebettet in den wunderschönen Rahmen der historischen Stadt Hameln, direkt am Weserufer im Herzen von Niedersachsen. Der Spitzname „Mini-WGT“ trifft aufs Autumn Moon schon recht gut zu.

25 Bands & Künstler spielten allein am Freitag an den vier Locations des Autumn Moon, und damit sind das Programm und die Bands auf dem Mittelaltermarkt, sowie das Rahmenprogramm mitsamt Workshops nicht einmal mit eingerechnet. Das bedeutet, obwohl die Locations alle nur höchstens fünf Minuten Fußmarsch voneinander entfernt sind, ist es unmöglich, alles mitzubekommen und man muss den Festivaltag schon gut planen. Wobei die beste Planung über den Haufen fällt, wenn man sich auf dem Weg von Location A zu Location B mit alten Bekannten, die man zufällig getroffen hat, verquatscht. Aber auch so etwas macht Festivals ja aus.

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Auf dem Schiff eröffnete der allseits beliebte Autor Christian von Aster das Programm und der Saal war bis auf den letzten Sitzplatz gefüllt. Die Leute kamen in Scharen, um seinen Worten zu lauschen. Mal ironisch-heiter, mal melancholisch, zeigte er wieder einmal, dass er seinen Lebensunterhalt nicht grundlos als Texter bestreitet, da er das Spiel mit Worten so gut beherrscht, dass Erinnerungen an einen alten deutschen Wortspielmeister, nämlich Heinz Erhardt, wach werden. Das auf ihn folgende Programm wurde etwas umstrukturiert, da die Band Brigada Pirata leider krankheitsbedingt absagen musste, aber als Ersatz wurden mit einer jungen Singer/Songwriter-Band namens Michelle Ailjets und dem Barden Sintram gleich zwei hoffnungsvolle Projekte präsentiert.

Im Papa Hemingway in der City stand Freitag alles unter dem Motto Spielarten des Rock. Vom Electro-Rock der Microclocks, über den New Wave Rock von Burn, den Dark Rock von Vlad in Tears bis zum Gothic Rock von Godex reichte die Bandbreite, aufgelockert vom Post Punk von Red Zebra und den britischen Bollock Brothers.

Die Sumpfblume hatte mit Inkubus Sukkubus, Klimt 1918, Beyond Obsession und Stoneman einige Namen zu bieten, die in der Szene schon einen gewissen Bekanntheitsgrad haben. Abends sorgten die O’Reilly’s and the Paddyhats mit Irish Folk Punk, die schwedischen Black Magic Fools mit Mittelalter/Folk-Metal und die österreichische Thrash Metalband Drescher für Stimmung.

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Der Weg von Sumpfblume/Schiff zur Rattenfängerhalle führte natürlich immer über den gut besuchten Mittelaltermarkt, auf dem sich Gaukler, Stelzenläufer, Akrobaten und Musiker tummelten. Und auch auf und vor der Open Air Bühne des Mittelaltermarktes war immer etwas los. Ob Pagan Folk aus Weißrussland mit Irdorath oder keltischer Piratenrock aus Frankreich mit Barbar’o’Rhum, ob heiße Feuershow oder mystische Mittelalterstimmung mit Waldkauz. Ob bei herrlichem Sonnenschein am Tage oder bei stimmungsvoller Feuerbeleuchtung am Abend, der Mittelaltermarkt war immer einen Besuch wert.

Die bekanntesten Namen spielten natürlich in der Rattenfängerhalle. Angefangen mit der Rammstein-Tribute-Band Herzeleid über die schottischen Celtica Pipes Rock, die bei jedem, der sie nicht kannte, zu den positivsten Neuentdeckungen des Festivals zählten. Eingängiger Dudelsack-Rock mit keltischen Folkeinschlägen. Sehr atmosphärisch, stimmungsvoll aber auch zum Headbanging geeignet. Zu Elektro-Ikone Faderhead aus Hamburg muß man nicht viel sagen, er bot eine gewohnt gute Show mit einigen neuen Titeln. Altmeister Joachim Witt jedoch spaltete die Gemüter. Der Goldene Reiter, der von Jahr zu Jahr mehr optisch an eine Art Santa Claus in Black erinnert, ist ja dafür bekannt, zwischen den Stücken viel zu quatschen, es ist quasi eines seiner Markenzeichen. Doch dieses Mal war es doch ein bisschen zu viel des Guten, da er derart überzog, dass die Zeit für den „Herbergsvater“, der als letzter Song auf der Setlist stand, nicht mehr reichte. Aber so hat er das Set eben mit dem Reiter beendet, was die Fans dennoch zufrieden zurückgelassen hat. Sein neues Album, welches er 2018 herausbringen will, hat er zwischendrin auch angekündigt. Es heißt „Rübezahl“ und auf den Titel ist er wohl beim Blick in den Spiegel gekommen…

Aber mit Witt war das Programm am Freitag noch lange nicht vorbei. Es folgten die belgischen EBM-Ikonen von Front 242 als Headliner, die unter der EBM-Fraktion für mächtig Stimmung sorgten und als „Rausschmeißer“ morgens um eins gab es mit Kochkraft durch KMA noch eine skurrile junge Band, die sehr eigenwillige Musik machte. Einerseits schade, dass 95% der Besucher nach Front 242 bereits die Halle verlassen hatten und Kochkraft durch KMA somit vor fast leerer Halle spielten, doch grundsätzlich ist diese Idee, eine junge, unbekannte, experimentelle Band als Mitternachtsspecial für Nachtschwärmer und Neugierige zu präsentieren, positiv zu bewerten.

Damit war ein ereignisreicher erster Festivaltag am Ende angelangt, wenn man nicht noch auf der Aftershowparty in der Sumpfblume bis in den Morgen weiterfeiern wollte.

Text: Steve Palaser

Fotos: Lothar Kaesler & Steve Palaser

Weiterführende Links:

Autumn Moon Festival

Witt

Front 242

Christian von Aster

Brigada Pirata

Microclocks

Burn

Vlad in Tears

Godex

Sumpfblume

Inkubus Sukkubus

Klimt 1918

Beyond Obsession

Stoneman

O’Reilly’s and the Paddyhats

Black Magic Fools

Drescher

Irdorath

Waldkauz

Celtica Pipes Rock

Faderhead

Kochkraft durch KMA

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Über Steve

Steve Palaser ist Freier Journalist & Übersetzer DE - EN, EN - DE Mehr Info unter dem Button "Unser Team" oder bei Google - da er zumindest deutschlandweit der Einzige mit diesem Namen ist! Ein echtes Unikat!

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