Auch der Samstag bot die bewährte Mischung aus Szenegrößen und (noch) unbekannten Bands
Am Samstag sind wir leider etwas später als geplant in Hameln an der Rattenfängerhalle eingetroffen, so dass wir mit Sinheresy, dem Prager Handgriff, Patient, Patient, Schattenmann und QFT bereits einige Bands an den verschiedenen Locations verpasst haben. Wir kamen aber gerade rechtzeitig zum Auftritt von EISFABRIK, die vor zwei Jahren bereits auf dem Autumn Moon gastierten. Damals noch relativ unbekannt, haben sich EISFABRIK innerhalb kürzester Zeit eine große Fanbasis erspielt, was nicht nur an ihren eingängigen und tanzbaren Future Pop Songs liegt, sondern auch an ihrer einzigartigen Bühnenshow, bei der sie es auch schon mal schneien lassen oder ein Yeti die Bühne betritt. Auch diesmal legten sie wieder einen Auftritt hin, der die Fans begeisterte.
Im Schiff ging es mit einer Newcomer-Band aus Hannover weiter, die man auch im Auge behalten sollte. Wer mehr über Wisborg wissen möchte, folge diesem Link. Die Musik der nächsten Band, Zoon Politicon, ebenfalls aus Hannover, war so gut, das viele bereits beim Soundcheck dachten, es würde bereits losgehen und sie starten ihr Set früher als angekündigt. Entsprechend überrascht war man, als der Sänger verkündete, dass das nur der Soundcheck war! Mit Breath of Life folgte eine belgische Dark Wave/Gothic Rock Band, die auch schon zu den Urgesteinen der Szene gehört und den Abschluss auf dem Schiff machte KOJ.
Auf der Moon Stage im Zelt spielte The Essence, gefolgt von der Horror Punk Band The Other, die ihrerseits von der Piratenband Pat Razket abgelöst wurden. Letztere war bereits tags zuvor auf der Bühne des Mittelaltermarktes zu hören und dort bereits sehr unterhaltsam und publikumsnah. Also ein klares Highlight, wenn auch nicht so ein Highlight wie Die Kammer um den sympathischen österreichischen Sänger und Songwriter Markus „Max“ Testory, der auch bei Technikpannen mit seinem Wiener Charme das Publikum auf seine Seite zog. Die folkigen Stücke, die er mit seinem kleinen Kammerorchester präsentierte, brachten das Publikum im gut gefüllten Zelt in Bewegung und er bewies einmal mehr, dass er mit seinem Projekt Die Kammer eine Sonderstellung in der Szene einnimmt, was authentische, handgemachte Musik angeht. Das Programm auf der Moon Stage endete mit den Alternative Rockern The Godfathers aus London, einem weiteren echten Urgestein, die sich 1985 gegründet hatten.
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In der Sumpfblume lief mit den holländischen Doom Metallern DOOL und der britischen Post Punk Band And Also The Trees, wie es abwechslungsreicher nicht sein konnte. Zu den EBM/Insustrial-Helden von Tyske Ludder musste sogar die Trennwand zum Foyer aufgemacht werden, damit alle erschienenen Fans auch die Gelegenheit bekommen konnten, die Band zu sehen und zu hören. Ähnlich sah es kurz darauf bei [S.I.T.D.] aus, die ebenfalls zu den Highlights zählten. Die Neue Deutsche Härte von Maerzfeld zog auch viele Besucher in die Sumpfe und die Grausamen Töchter lieferten zum krönenden Abschluss eine nicht ganz jugendfreie Show, aber um 0:45 dürfte ohnehin kein Kind mehr auf dem Autumn Moon unterwegs gewesen sein.
In der Rattenfängerhalle blieb es nach EISFABRIK elektronisch, wurde mit Laether Strip aber eine Nummer härter. Der EBM des Dänen Claus Larsen ist auch für die Clubs gemacht und er ist auch schon eine Ikone, die seit 30 Jahren dabei ist und sämtliche Höhen und Tiefen einer Musikerkarriere durchlebt hat. Doch das eigentliche Highlight des Samstages folgte nach Leather Strip. Die Herren von Coppelius gaben sich endlich wieder mal die Ehre. Nachdem sie vor ein paar Jahren eine längere Bühnenabstinenz ankündigten, sind sie nun mitsamt Butler Bastille wieder da und auch ihre Steampunk-Oper wird wieder in Gelsenkirchen aufgeführt. Einen Wermutstropfen hatte Bastille aber dennoch zu verkünden, der langjährige japanische Drummer Nobusama wird die Band zum Jahreswechsel verlassen. Ansonsten war der Auftritt der Herren spaßig und energiegeladen wie immer, auch wenn Bastille laut eigener Aussage zuviel gequatscht hat und sie sich einmal derart verspielt haben, dass Bastille vom Publikum Buhrufe forderte. Zu einem Stück holten sie sogar einige langhaarige Gäste aus dem Publikum auf die Bühne zwecks gemeinsamen Headbanging bei Klarinettensolo und Extrem-Triangeling. Zum Schluss spielten sie auch wieder ihren Klassiker „Time/Zeit“ und einige Balladen durften auch nicht fehlen.
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Diese Performance zu toppen, dürfte auch alten Hasen wie Adrian Hates von Diary of Dreams schwergefallen sein, der als nächstes die Bühne enterte. Diary of Dreams waren atmosphärisch und einzigartig wie immer, konnten das sympathische Chaos von Coppelius aber ebenso wenig übertreffen wie Headliner Covenant. Die schwedischen Electro-Götter um den charismatischen Sänger Eskil Simonsson spielten eine interessante Setlist, und Keyboarder Daniel Myer, bekannt als Haujobb, bekam bei „Lightbringer“ auch wieder die Gelegenheit, sein Gesangstalent unter Beweis zu stellen. Nach dem Hauptset kamen sie tatsächlich noch zu einer Zugabe auf die Bühne zurück. Es war allerdings merkwürdig, dass die Besucher nur rhythmisch geklatscht, aber zu keinem Zeitpunkt laut „Zugabe!“ gerufen haben, um die Band auf die Bühne zurückzuholen. Ob dies nun daran lag, dass sie sich nicht sicher waren, ob auf einem Festival Zugaben überhaupt realistisch sind oder einfach nicht mehr ihre Stimmbänder belasten wollten, bleibt ungeklärt. Jedenfalls lohnte sich die Zugabe, denn statt des üblichen letzten Songs „Dead Stars“, spielte Covenant mit „We Stand Alone“ einen ebenso genialen wie beliebten Klassiker. Damit endete das offizielle Programm des Autumn Moon 2018 fast. Es folgte noch der Mitternachtslot mit Dein Ernst, einem Hop Rock Projekt von Jan König, der seine über zehn Jahre existierende Hip Hop Band NOSPAM in Dein Ernst umbenannte und damit auch den musikalischen Richtungswechsel hin zum Rock vornahm.
Also wie in den vorigen Jahren ein absolut vielfältiges Programm. Auch der Mittelaltermarkt war wieder sehr gut besucht, was auch dem herrlichen Wetter mit Sonnenschein und blauem Himmel zu verdanken war. Die Gaukler, Akrobaten, Feuerkünstler und Musiker tummelten sich auch am Samstag auf dem Markt und auf der Open Air Bühne, wobei diese wie auch der gesamte Mittelaltermarkt auch am Sonntag noch für Besucher geöffnet war und ein buntes Programm bereithielt.
Das Autumn Moon 2018 ist damit Geschichte und die aufsteigende Tendenz ist deutlich zu erkennen: Den anwesenden Besuchern hat es gefallen, gerade das Ambiente, die Atmosphäre und die Location mit Rahmenprogramm. Doch auch wenn dieses Jahr erstmals die 2.000 Besucher-Marke geknackt wurde und der Vorverkauf der Frühbuchertickets für 2019 gut läuft, dürfen es ruhig noch mehr zahlende Besucher werden, die ein Ticket erwerben, damit sich das Autumn Moon Festival endgültig etablieren und zur festen Größe avancieren kann.
Also, verbreitet die Kunde weit im ganzen Land, das Autumn Moon ist immer noch zu unbekannt. Mit einem alljährlich gesicherten familiären Festival als gemeinsames Ziel, bringt jede Mundpropaganda und Teilen in sozialen Medien schon viel.
Bis zum Wiedersehen im nächsten Jahr!
Text: Steve Palaser
Fotos: Steve Palaser & Lothar Kaesler
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